Freitag, 15. August 2014

Non Je Ne Regrette Rien

Nein, ich bedauere nichts, es war eine herrliche Reise. Vielleicht habe ich sie gerade noch zur rechten Zeit gemacht.
Die Waschmaschine reinigt ein letztes Mal meine schon wieder unangenehm riechenden Sachen.
Mit gemischten Gefühlen sitzte ich im Vandrerhjem von Honningsvåg vor dem Computer.
Einerseits ist es schade, dass diese tolle Tour jetzt zu Ende geht. Andererseits freue ich mich nach einem Monat natürlich, meine Familie wieder zu sehen. Auch einige Annehmlichkeiten des "nomalen" Lebens,
wie regelmäßiges und abwechlungsreiches Essen, das eigene Bett und etwas Ruhe.
Aber zunächst will ich mal die Tour zusammen fassen:
gefahrene Strecke:     2.613 km
Fahrtage:                                28
Durchschnitt km/Tag:  93,3 km
längste Einzelstrecke: 139,7 km
kürzeste Einzelstrecke  40,6 km
schwerste Etappe        Nordkap!!
Regen an Fahrtagen:              3x


Die Gesamtstrecke etwas vereinfacht und bereinigt (Irrfahrten und Einkaufstouren etc. entfernt):

 Gesamtstrecke auf GPSIES




Die offensten, freundlichsten Menschen traf ich in Schweden, die absolut großartigste Natur habe ich (wiedermal) in Norwegen vorgefunden.
Pannen hatte ich keine.
Insgesamt war es für mich eine Tour der Superlative und wird es wohl auch bleiben. Davon werde ich lange zehren können. Gern reden alle Radler, die ich getroffen habe, davon, dass der Weg das Ziel ist. Aber genau so habe ich es auch empfunden. Das Nordkap war nicht wirklich wichtig, aber es wäre auch irgendwie doof, wenn man zum Schluss diese Pilgerstätte nicht besucht.
Nicht zuletzt ist es auch eine große Erfahrung, dass man mit bescheidenen Mitteln sehr viel erleben kann, wahrscheinlich deutlich mehr, als wenn man mit dem Wohnmobil unterwegs  ist. Und wenn es vielleicht egoistisch und pathetisch klingt, muss ich es doch erwähnen, es war auch eine Reise zu mir selbst. Man lernt sich noch im "hohem" Alter besser kennen und, wenn alles wie geplant funktioniert, kann man auch noch eine ordentliche Portion Selbstvertrauen tanken.
Für diese Erfahrung bin ich meiner Familie und insbesondere meiner Frau sehr dankbar.
Agnes und Andi haben mir gezeigt, dass das alles nicht erst mit dem Ruhestand möglich ist. Sie haben es geschafft, sich eine dreimonatige Auszeit von der Arbeit zu organisieren und sind ohne große Radlererfahrung von der Schweiz über 5000 km zum Nordkap gefahren. Das hat ihnen persönlich und als Paar mit Sicherheit sehr viel gegeben. Toll fand ich auch, wie sie die selbst zubereiteten Mahlzeiten zelebriert haben und und am Straßenrand den Espressokocher angeschmissen haben.
In Bezug auf die Mahlzeiten habe ich mich auch aus Mangel an Erfahrung nur auf das Notwendigste beschränkt. Länger hätte die Tour deshalb auch nicht sein dürfen.
So, liebe Kinder, genug gequatscht.
Jetzt wollen wir mal das Märchenbuch wieder zuklappen.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die Kommentare abgegeben haben und auch bei den stummen Lesern. Das Bloggen ist für mich ein schöner Teil der Reise geworden. Die zeitweise Einsamkeit finde ich überhaupt nicht unangenehm, aber eine kleine Verbindung nach Hause ist auch sehr schön. Außerdem kann ich später selbst die Erinnerungen mit diesem Tagebuch wieder auffrischen.
Ich hoffe ihr seid nächstes Jahr wieder dabei. Jetzt fehlt mir noch der Süden, da liegt es nahe,  an die Adria zu fahren.
Auf ein Neues!

Donnerstag, 14. August 2014

Es ist vollbracht!

14.08.2014 6.30 - 9.30
Honningsvåg - NORDKAP 26,2 km
NORDKAP - Honningsvåg 34 km

Ich bin heute sehr früh bei leichtem Nieselregen aufgebrochen.
Gleich nach dem Campingplatz begann ein 9% iger Anstieg, der kein Ende nehmen wollte. Dazu böiger Nordwind und zunehmender Regen.
Es kam alles zusammen, was man als Radfahrer nicht haben möchte.
Die Temperatur muss irgendwo zwischen 5 und 10 Grad liegen.
Ich hatte mir alles Wärmende angezogen, was ich in den Packtaschen hatte, drei Jacken und eine Weste, drei Hosen und Handschuhe. Jetzt habe ich trotzdem das Gefühl, nass bis auf die Knochen zu sein.
Kurz vor dem Eingang kamen mir Agnes und Andi entgegen. Sie waren noch früher aufgebrochen und eigentlich schon auf dem Rückweg. Dann kamen sie aber noch mal mit zur Kugel und wir machten noch einige Fotos, wobei uns der Wind fast umgehauen hätte.
Die Bilder kann ich erst hochladen, wenn ich wieder in Camp 4 bin.
Jetzt warte ich noch, bis um 11 der Betrieb in der Nordkapphallen losgeht. Denn ich möchte noch was Warmes trinken und die obligatorischen Karten schreiben.
Inzwischen bin ich ins Ortszentrum umgezogen und wohne  für die beiden letzten Nächte im Vandrarhjem. Morgen kann ich hier vielleicht einen abschließenden Artikel schreiben. 








Mittwoch, 13. August 2014

Tunnelfahrt

12.08.2014 10.00 - 18.30
Russenes - Honningsvåg 103,2 km

Camp 4 ist bezogen, alles ist bereit für den Gipfelsturm. Ich bin auf dem Campingplatz in Honningsvåg angekommen. Vom hier aus beginnt Sonnabend die Rückreise mit dem Schiff.
Das Wetter hat wieder mitgespielt.
Strahlender Sonnenschein und T-Shirt-Wetter.

Bei blauem Himmel geht es viele Kilometer am Porsangerfjord entlang.
Norwegen ist schon sehr verschwenderisch von der Natur ausgestattet worden. Was das angeht, bin ich schon nach zwei Tagen zum Überläufer geworden. Das hat Schweden nicht zu bieten, auch wenn dort die netteste Bevölkerung lebt, die ich je kennengelernt habe.


Rentiere gab es jetzt häufig zu sehen. Sie scheinen sehr gern auf die Straße zu pinkeln. Stellenweise sehen die Spuren aus wie auf den Pariser Gehwegen.

Unterwegs hatte ich mir überlegt, dass ich doch gleich bis Honningsvåg fahren sollte.
An einer Aussichtsstelle mit Souvenir-Kiosk hielt ich kurz an und war sofort von einer Gruppe Hongkong-Chinesen umringt. Sie bestaunten mein Fahrrad, fragten mich wohin ich wolle und mussten sich dann reihenweise mit mir fotografieren lassen. Ich verzichtete darauf, dass gleiche mit ihnen zu tun.

Am Straßenrand lagen die Felsbrocken wie Bretterstapel, manchmal etwas unordentlich.


Dann kam der erste Tunnel, der Skarvberg-Tunnel.


Also Jacke an, Beinlinge hochkrempeln, Licht einschalten, zusätzliches Rücklicht anbringen und los.
Mann, war das dunkel, hätte ich von den Norwegern nicht gedacht! Ach so, hatte vergessen, die Brille zu wechseln - lag nur an der Sonnenbrille! Aber ganz ohne ging es auch nicht, irgendwann wars ja wieder hell.
Der zweite war mit 190 m nicht der Rede wert, aber dann kam er, der Nordkap -Tunnel!


Fast sieben Kilometer lang und bis zu 212 m unter dem Meeresspiegel, die ersten drei Kilometer mit 9% Gefälle, dann eine kleine Ebene und wieder ein steiler Anstieg. Im Tunnel hört sich jedes Auto, egal ob Kleinwagen oder Bus, wie ein Güterzug an. Ob es von vorn oder hinten kommt, kann man nicht unterscheiden.

Ganz unten erzeugt die Lüftungsanlage einen gewaltigen Lärm und zwischendurch herrscht wieder totale Stille, man hört nur den eigenen Atem und die Wassertropfen tropfen. Ja, ein bisschen undicht scheint er auch schon zu sein, er ist ja schon mehr als 15 Jahre alt. Solange keiner den Stöpsel zieht, wird ja hoffentlich das Meer oben bleiben. Einen Kilometer vor der Ausfahrt musste ich passen und den Rest schieben.

Danach gabs erst mal wieder norwegisches Bilderbuch.



Es folgte noch ein Tunnel von 4,4 km Länge ohne besondere Schwierigkeiten und Honningsvåg war zwei Tage zu früh erreicht.
Der Campingplatz liegt 2 km außerhalb von Honningsvåg Richtung Nordkap.
Die Schweizer waren auch schon da und wir verplauderten den Abend ohne das mein Blogbeitrag fertig wurde. Heute, am Mittwoch, den 13. sollte der Gipfelsturm stattfinden.


Gegen Morgen wachte ich von einem merkwürdigen Geräusch auf. Regen trommelte auf das Zelt, dazu wehte ein sehr kräftiger Wind. Die Lösung:
erst mal ignorieren und weiter schlafen. Um neun half nichts mehr, auch wenn die Regensachen draußen in der Tasche liegen.
Die Wolken hingen tief (und hängen immer noch um 16 Uhr), es regnete den ganzen Tag.
Mit anderen Worten, der Gipfelsturm fällt heute aus, bei unter zehn Grad und Regen bleibt noch genug Zeit auf besseres Wetter zu warten.

Wirklich Sorgen macht fmir nur mein Smartphone, es will nicht mehr laden, und wenn alles schief geht, kann ich das Erreichen des Nordkaps nicht mehr dokumentieren. Und das passiert
28 km vor dem ultimativen Ziel!

Montag, 11. August 2014

Abwechlungsreiches Norwegen

11.08.2014 9.00 - 18.20
Alta - Russenes 114, 2 km

Die Sonne scheint, nach zwei Tagen bibbern und dunklen Wolken war morgens auf einmal bestes T-Shirt-Wetter. Agnes und Ändi waren schon vor mir weg. Zunächst führte die Route über flaches Gelände am Alta-Fjord entlang. An einer Bäckerei trank ich einen Kaffee und wunderte mich über die Angewohnheit der Kunden, während des Einkaufs das Auto mit laufendem Motor stehen zu lassen. Das ist sicher mit den harten Wintern zu erklären, im Sommer könnte man aber gut darauf verzichten.




Fast wie in Bayern, war auch hier Blumenidylle angesagt.



Kurz danach ging es steil bergauf. Die Hoffnung auf eine Ebene hinter der nächsten Kurve wurde immer wieder enttäuscht. Schieben wollte ich auf keinen Fall, aber Pausen musste ich mehrmals machen. Die erste Trinkflasche war im Nu leer.
Die Autos kamen mir geradewegs vom Horizont entgegen.




Die Vegetation veränderte sich entsprechend der Höhe wieder deutlich, bis ich schließlich in eine baumlose, von Bergen umrahmte Hochebene kam. Die Bewölkung hatte stark zugenommen, durch einzelne Wolkenlöcher beleuchtete die Sonne die Szene - einfach atemberaubend!
Leider ist das weder mit Worten beschreibbar noch kann man es bildlich einigermaßen realistisch wiedergeben. Also habe ich öfter angehalten und die Augen trinken lassen.




An der letzten Steigung war eine kleine Sami Siedlung. Als ich mich den Berg hinauf quälte, erregte das die Aufmerksamkeit eines kräftigen Hundes mit tadellosem Gebiss. Er schoss unter heftigem Gebell auf mich zu und versuchte nach meinen Beinen zu schnappen. Aus erklärbarem Grund habe ich davon kein Foto, auch das zu Hause gebliebe KO-Spray wäre nicht rechtzeitig greifbar gewesen. Jedenfalls war ich schneller oben als ich wollte. Zumal er nach der ersten Attacke die zweite Luft bekam und nochmals angriff. Doping kann nicht besser wirken. Vielleicht hätte Jan Ullrich das Bergfahren lieber mit scharfen Dobermännern trainieren sollen.
An mehreren Stellen waren Schranken mit Ampel eingerichtet, um bei Unpassierbarkeit der Straße schnell handeln zu können.

Heute kam mir außer vier Fernradlern auch der Treckerfaherer mit Campinganhänger aus WW (Weisswasser?) entgegen, der mich schon auf der Fahrt nach Alta überholt hatte. Er war offensichtlich schon da, wo ich noch hin will. Es sind ja nur noch lächerliche 129 km und ich habe vier Tage Zeit dafür!




Erwähnenswert wäre noch, dass ich heute mehrere Autos gesehen habe, die auf der Motorhaube und der vorderen Dachkante Halterungen zum Transport von Angeln montiert hatten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Deutschland zulassungsfähig wäre.

Sonntag, 10. August 2014

Dunkle Wolken über Alta

10.08.2014 
Alta   10 km

Alta Schwede, der Tag begann, wie der letzte endete: Tageshöchsttemperatur 13º, Wind und ein dichter dunkler Wolkenteppich über der Region.
Ich habe keinen Grund mich zu beschweren, warum fahre ich auch in die nördlichste Region Europas.




Immerhin scheint es die Angler nicht zu verdrießen, stundenlang stehen sie bis zur Hüfte im Altafluss.




Mir konnte das erstmal alles egal sein, ich hatte große Wäsche.
Dabei sprach mich ein Bulgare an. Er hatte ein Zimmer gemietet, ist aber kein Tourist. Er lud mich auf einen Kaffee ein und erzählte mir in kaum verständlichem Englisch, dass er seit acht Monaten herumreist, um Arbeit zu suchen. Es sieht jetzt wohl ziemlich schlecht aus, im Winter soll es wieder besser aussehen, da könnte er bei den Fischern arbeiten. Er sah etwas verwahrlost aus ohne seine Schneidezähne. Nach seinen Worten ist er fünfzig Jahre alt, ich hätte ihn älter als mich geschätzt.
Aber helfen kann ich ihm natürlich auch nicht.

Nach der Wäsche wollte ich mal wieder was "Richtiges" essen und fuhr in den fünf Kilometer entfernten Ort. Als einzige Möglichkeit bot sich Peppes Pizza an, mehr hat die Gemeinde mit immerhin zwanzigtausend Seelen nicht zu bieten. Es war proppenvoll, aber als ich schon wieder gehen wollte, wurde doch noch was frei. Eine Pizza und eine Cola für umgerechnet 30 € sind wohl kein Schnäppchen.

Sonst ist hier nichts zu machen. Immerhin eine neue "Garnisonkirche" steht hier schon.




Und ein Schild an der Hauptstraße bestätigt meine Berechnung. Das sollte wohl in drei Tagen gut zu schaffen sein.




Morgen geht es bei ähnlichem Wetter nach Oldefjord, ab jetzt immer nur mit mindestens drei Essenrationen im Gepäck.

Samstag, 9. August 2014

Handschuhwetter

09.08.2014 9.00 - 14.30
Badje Maze - Alta 67 km

Der Wetterbericht hatte es angekündigt, es wird deutlich kälter.
Zum Servicehaus musste ich mit langer Hose gehen. Obwohl ich niemanden gesehen hatte, lief die Dusche um acht Uhr, genau wie gestern abend, , auch das Duschbad stand noch da. Ich ging nachsehen - niemand da. Offensichtlich waren Dusche und Licht seid gestern abend an, obwohl das Servicehaus immer abgeschlossen war. Ein sehr merkwürdiger Geistercampingplatz.

Bei neun Grad musste ich mich schon ganz anders anziehen als am Vortag. Beinlinge, Weste und Regenjacke. Glücklicherweise gab es erst mal einen langen Anstieg zum Aufwärmen. Es folgte die übliche Achterbahnfahrt. Dazu ordentlicher Gegenwind garniert mit gelegentlichem Sprühregen. War das Wetter immer noch beleidig?

Die Straße war leer, die Umgebung auch, nach Bäumen musste ich lange suchen. In weiser Voraussicht hatte ich die Handschuhe griffbereit, die Finger waren schon ganz kalt und das Schalten machte Mühe. Nach dreißig Kilometern tauchte eine kleine Siedlung auf. Ein kleines Restaurant an einem Campingplatz warb mit Kaffee um einen Besuch. Da konnte ich nicht nein sagen.
Eine warme Stube, Kaffee zur Selbstbedienung und leckerer Kuchen - ein Paradies in der Einöde!
Das Thermometer zeigte immerhin schon 13 Grad.
Die Landschaft wurde immer schroffer. Kilometerweit führte die Straße an einem von Felsen umrahmten See entlang.





Dann ein Schild 8% (Gefälle oder Steigung?):




Ich muss ja auch mal Glück haben, in rasender Fahrt ging es die Serpentinen in den Alta-Canyon hinein. Hohe Felswände, ein rauschender Fluss und Wasserfälle und über dem Ganzen dunkle Wolken, ein atemberaubendes Schauspiel.
Das kann man nicht beschreiben oder fotografieren, das kann man nur staunend in sich aufnehmen. Es klingt pathetisch, aber ich fühlte mich reich beschenkt.
Dann öffnete sich die Landschaft und plötzlich ist da wieder der seit Tagen vermisste Wald.




Schließlich landete ich in einer Ebene mit Idyllischen Häuschen, landwirtschaftlichen Betrieben und abgeernteten Feldern. Das habe ich hier nicht mehr erwartet. Aber für diese plötzlichen Wechsel ist Norwegen ja bekannt. Und im Hintergrund sieht man schon die mit Schneefeldern bedeckten Berge.
Auf dem Campingplatz sind alle Hütten belegt, es findet gerade ein Kinderfußballturnier statt.
Erstaunlicherweise kann man hier noch gut zelten. Also habe ich mein Zelt auf grünem Rasen aufgebaut.
Neben mir macht das ein schweizer Ehepaar. Sie haben eine Auszeit genommen und sind von zu Hause zum Nordkap aufgebrochen, das sind mehr als 5000 km!
Die Rückreise werden sie am kommenden Sonnabend mit dem Schiff der Hurtigruten ab Honningsvåg antreten. Ich werde also nicht allein um 5.30 am Kai stehen.
Morgen bleibe ich in Alta und mache Waschtag.

Freitag, 8. August 2014

Verdammt kalt hier

08.08.2014                  9.30 - 14.30
Kautokeino - Badje Maze 60,7 km

Das Gewitter vom Vorabend hatte sich verzogen, die Sonne schien und die Wohnwagenbewohner schliefen noch.
Nach ausgiebigem Frühstück machte ich mich auf den Weg nach Maze. Heute hatte ich nicht soviel Glück mit dem Wind. Er frischte auf und blies mir meistens ins Gesicht.




Dazu war heute wieder Achterbahnfahrt angesagt - die sechzig Kilometer waren anstrengender als die Zahl vermuten lässt.

Heute kamen mir zweimal Reiseradler entgegen und keiner war erstaunlicherweise aus Deutschland.
Zuerst traf ich Lero aus Finnland. Seinen Namen musste er mir buchstabieren, denn die finnische Aussprache war mir völlig unverständlich. Nach seiner Aussage ist der Name auch sehr selten, es soll ihn nur dreimal in Finnland geben. Er kam gerade vom Kap und wollte noch ein Stück durch Finnland fahren. Montag in einer Woche hat er das Vorstellungsgespräch für seinen ersten Job. Dann viel Glück, Lero!

Kaum zehn Minuten später quälten sich Vitaly und seine erst vierzehnjàhrige Tochter Anastasia den Berg hoch.






Sie kommen aus Moskau und sind mit dem Flugzeug nach Murmansk geflogen. Gerade kamen sie aus Alta und wollen nach Finnland.

Meine zarte Kritik an den hohen Temperaturen hat wohl jemand missverstanden. Heute waren es fast zehn Grad weniger und morgen werden nur noch zwölf bis vierzehn Grad erwartet. Damit passt sich jetzt die Temperatur an die sehr karge Landschaft an. Die warme Kleidung möchte ich auch nicht über 2000 km umsonst mitschleppten.
Nicht nur die Landschaft ändert sich, auch der Campingplatz passt sich an. Mangels Rasen ist hier Zelten kaum möglich und in der Hütte gibt es keine Kissen und Decken mehr. Duschen konnte man in Kautokeino sechs Minuten für zehn Kronen, hier fünf Minuten für 25 Kronen. Die Hütte kostet natürlich auch 100 Kronen mehr. Aber die Leute müssen hier natürlich auch zurecht kommen.
Dafür bekommen die Leute, die in Orten wie diesem wohnen, garantiert Probleme beim Fragebogen ausfüllen:





Morgen kann ich locker nach Alta fahren, der letzten größeren Siedlung vor dem Nordkap, einen Tag Pause machen und habe dann noch 200 km bis Honningsvåg, meiner letzten Station. Von dort sind es nur noch 30 anstrengende Kilometer bis zum Kap.

Donnerstag, 7. August 2014

Das letzte Kartenblatt

07.08.2014 9.40 - 14.40
Enontekiö - Kautokeino 80 km

Vor einem Monat wäre mir nicht in den Sinn gekommen, dass Gluthitze und Nordnorwegen was mit einander zu tun haben könnten. Die Wettervorhersage für Enontekiö besagte, dass heute 28º erreicht werden sollten. Wie warm es tatsächlich war, kann ich nicht sagen, aber es war eigentlich schon fast zu warm für solche Touren.

Wie dem auch sei, heute habe ich Finnland schon wieder verlassen und bin nach Norwegen "ausgereist".
Das letzte Kartenblatt ist
eingelegt...

Meine Momentaufnahme passt gar nicht richtig mit den bekannten Klischees zusammen
Sie waren nicht mürrisch, sondern sehr freundlich, sie sprachen englisch (sogar an der Supermarktkasse und am Imbiss) und das Servicehaus auf dem Campingplatz war das beste und sauberste der ganzen bisherigen Fahrt. Kurz gesagt, es gab nichts an den Finnen auszusetzen.
Einzige Kritik: sie verwenden
kaum Lehnwörter und Anglizismen, dadurch fühlt man sich fast wie in China, allerdings kann man die Schrift lesen, nur bleibt der Sinn dunkel.
Wie in Schweden und Norwegen wird fast alles mit der Kreditkarte erledigt. Selbst der einarmige Bandit in der Imbissbude wird mit der Karte gefüttert. Die hier oben gelegentlich auftretenden kurzen Stromausfälle, werden kaum registriert. Man wartet einen Augenblick, bis alle Kassen, Kartenleser und sonstige Geräte wieder funktionieren und dann geht es weiter (zum Glück wird ja für diese Dinge kein Windows benutzt).

Heute hatte ich wieder eine einsame Strecke zu bewältigen. Die Bäume verschwanden fast vollständig, übrig blieben Moose und Farne und als einzige Dekoration verkrüppelte Birken, die eher wie Heckenpflanzen wirken.

Nichts war mehr da, was dem Wind Widerstand leistete. Zum Glück hatte ich ihn meistens als Kantenwind und manchmal schob er mich sogar den Berg rauf.
So schnell wie ich in Finnland drin war, war ich auch wieder draußen.




Keine Beamtenseele ließ sich blicken, schließlich ist es eine EU-Außengrenze. Aber auf den ersten Blick kann man sowieso keine wesentlichen Unterschiede zwischen Schweden, Finnland und Norwegen feststellen. Wenn ich mich nicht irre, gehörte vor hundert Jahren sowieso alles zu Schweden. Selbst die Hütten sehen ein paar hundert Kilometer weiter ähnlich aus.




Der verschlafene Ort Kautokeino wirkt allerdings schon ganz schön polarmäß. Natürlich heißt hier auch vieles entsprechend. Der Campingplatz heißt "Arctic Camping og Motel".
Die Mücken werden weniger, so wie es mir in Karesuando vorher gesagt wurde.



Auf dem Campingplatz kann ich bei den Caravans immer die gleichen Rituale beobachten:
Wagen ausrichten, Jalousie ausfahren, Teppich auslegen, Tisch und Stühle aufstellen, manchmal mit Blumenvase dekoriert, hinsetzen und später dann den Grill anwerfen. Ist wahrscheinlich weltweit das gleiche.
Aber hier in Lappland gibt's um 20 Uhr noch was besonderes - Kaffee trinken am offenen Feuer im Tipi.
Um die Zeit kann ich leider nicht mehr mit trinken und verstehe auch kein Wort. Aber nett war es trotzdem!





Ein Gewitter zieht auf und kündigt den Wetterwechsel an ...


Mittwoch, 6. August 2014

Intermezzo in Finnland

06.08.2014 10.00 - 15.00
Karesuando - Enontekiö 65,2 km

Jetzt wird endgültig das Bummelzugtempo eingelegt. Es macht keinen Sinn aufs Tempo zu drücken, um dann däumchendrehend auf das Schiff zu warten. Trotzdem wäre ich heute gern noch weiter gefahren, aber die Chance auf ein richtiges Essen hat mich gebremst.
Gestern abend gab es noch ein ordentliches Gewitter und ich war froh, dass mir der Verwalter eine schöne Hütte für sehr günstige 200 Kronen angeboten hatte. Die Mücken hat das Wetter kaum gestört. Auch als es sich verzogen hatte, liefen die Leute deshalb vermummt und mit Kapuzen zum Servicehaus, um sich dann wieder schnell in ihre Hütten und Caravans zurück zu ziehen.
Morgens um acht stand für mich schon der Kaffee bereit. Der Verwalter setzte sich zu mir und wir plauderten noch etwas.
Die Campingplatzverwaltung macht er nur im Sommer, das ist sein "Urlaub".
Im Winter, der ab Mitte Oktober beginnt und bis Anfang Mai reicht, arbeitet er im Skigebiet von Kiruna.
Obwohl es hier immer ausreichend Schnee gibt, werden dort Schneekanonen eingesetzt, um die Pisten für die vielen Abfahrtsläufer stabiler zu machen.
Kiruna liegt über großen Eisenerzlagerstätten, der Abbau erfolgt schräg von der Oberfläche aus und man kann zur Besichtigung mit Bussen unter Tage fahren.
Weil der weitere Abbau die Stadt gefährdet, wird das gesamte Stadtzentrum um einige Kilometer verlegt.
Auf den Energiekonzern Vattenfall, bei dem der schwedische Staat Hauptaktionär ist, schimpfte er ausgiebig (Vatten=Wasser). Der Konzern sei im Abschwung und was er im Land Brandenburg mit dem forcierten Braunkohleabbau mache, gehe gar nicht.
Er gab mir noch auf den Weg, dass die Mückenplage 150 km bis Kautokeino in Norwegen anhalten würde.
Eigentlich wollte ich schon unterwegs sein, aber erst um neun verabschiedeten wir uns. Mein Restgeld wollte er nicht ohne Gegenlistung annehmen und so habe ich jetzt noch eine Dose Mückenschutzsalbe aus Pechöl.
Die habe ich natürlich gleich ausprobiert.
Dann ging es bei trübem Himmel nach Finnland.




Im nächsten Supermarkt füllte ich erst mal meine Essenvorräte auf und bezahlte seit langem wieder in €.

Ansonsten war kaum eine Veränderung zu Schweden sichtbar.
Die Markierungen auf der Straße sind hier meistens gelb und alles wirkt nicht ganz so ordentlich wie in Schweden. Die Straße verlief leider erst mal 30 km am Grenzfluss entlang in südöstlicher Richtung - also eher vom Nordkap weg.
Erste Rast machte ich an einer Rentierfarm. Die Kollegen im Wald fühlen sich bestimmt besser, aber diese hier sind deutlich größer:




Dann kam eine Abzweigung und die Richtung stimmte wieder.
Da geht's lang:




Endlich kam mir mal wieder ein Radler entgegen. Der sehr junge Mann heißt Dan aus Holland und war auf dem Weg von Alta nach Kiruna. Er schläft grundsätzlich im Wald. Als er hörte, dass ich in seine Richtung fahre, wünschte er mir, dass der starke Wind noch aus der gleichen Richtung kommen sollte - er hatte Gegenwind. Sehr nett von ihm!
Später sprach mich auf einem der sehr bescheidenen Parkplätze ein junger Mann mit Motorrad an. Peter, Fensterputzer aus Örebro, war auf
"Promotiontour" zum Nordkap.
Zum gleichen Zweck ist er schon mit dem Modell chinesischer Produktion (Oh, oh, Gote! ) von China nach Schweden gereist. Sein Vater stammt aus Berlin, deshalb konnte er sogar mit Potsdam was anfangen (und ich mit Örebro, der Fahrradstadt).
Aktueller Anlass war aber, dass er keine Karte mit hatte und nicht wusste, welche der beiden Möglichkeiten die bessere wäre.
Ich konnte ihm helfen und er fotografierte alles ab. Für die Rückreise durch Norwegen sollte er sich vielleicht doch ne Karte kaufen.
Nach kurzer Reise bin ich also heute in Enontekiö angekommen, auf dem wohl am besten eingerichteten Campingplatz der Reise. Den anderen scheint es auch zu gefallen, gerade spielt jemand vor seinem Wohnwagen sehr einfühlsam und schön Akkordeon - übrigens bei 28º und Sonnenschein.
Der Ort ist recht klein, hat aber einen Supermarkt und eine schöne Kirche.




Nur mit dem erhofften guten Essen klappte es nicht ganz. Kebab mit Pommes und undefinierbarer Soße im einzigen noch geöffneten
Imbiss...
An die veränderte Uhrzeit werde ich mich gar nicht erst gewöhnen, morgen bin ich in Norwegen, da wird die Uhr wieder zurück gestellt.

Dienstag, 5. August 2014

Was hat sich die Natur nur dabei gedacht?

05.08.2014 9.00 - 16.15
Vittangi - Karesuando 105,6 km

Warum müssen Mückenstiche eigentlich jucken. Wäre es nicht für den Wirt und auch die Mücke viel zweckmäßiger, wenn das Abzapfen der Kleinstmengen Blut schmerzfrei verlaufen würde?
Der Mensch hätte nicht tagelang Beschwerden und auch die Mücken würden davon profitieren - die Sterberate durch unnatürliche Todesfälle würde bei ihnen drastisch sinken.

Gestern abend unterhielt ich mich mit einem niederländischen Paar, das gerade mit dem Caravan von den Lofoten kam. Das Wetter war schlecht und es waren viel zu viele Touristen da. Wir mussten dann bald vor den Mücken in unsere jeweilige Behausung flüchten. Selbst heute morgen waren sie schon wach und piesakten mich.




Die Tour war heute traumhaft schön. Eigentlich kann ja nach dem Ende der Welt nichts mehr kommen, aber es kam - nichts.
In Vittangi ähnelte die E45 einer Dorfstraße, danach wurde sie breiter und war gut ausgebaut. Aber ich hatte sie fast ganz für mich allein. Es dauerte zumindest gefühlt eine Stunde, bis mal wieder ein Auto vorbei jagte.
In der Zwischenzeit hatte ich genug Muse, mir die immer karger werdende Landschaft anzusehen.




Die Sonne brannte vom Himmel (der Wetterbericht schrieb von 28º) und wenn ich nicht genug Wasser mit gehabt hätte, würde ich jetzt als Ritter Kahlbutz im Straßengraben liegen und keiner würde es merken.
So aber konnte ich mit Blicken den lichten Wald durchsuchen, um vielleicht doch noch einen Elch zu sehen. Die Hoffnung, dass er sich als Fotomodell vor mir auf die Straße stellen würde, habe ich schon lange aufgegeben. Fünfzig Kilometer lang kein Haus, keine Abzweigung, gar nichts! Sowas habe ich noch nicht erlebt und ich fand es, auch wenn das nicht jeder nachvollziehen kann, großartig. Dann kamen zwei kleine Ortschaften, trotzdem keine Menschenseele weit und breit.
Dafür aber eine gelbe Warntafel:



Raketenschießen im Naturschutzgebiet? Zum Glück war der Kasten leer und ich konnte weiterfahren.

Ein Stück weiter steht ein Schlitten im Wald. Da muss schon sehr viel Schnee liegen, wenn so ein Koloss noch gleiten soll.




Wenig später glaubte ich, doch noch einen Elch zu sehen, aber beim näher kommen erwies sich der Elch als stattliches Ren. Das hatte keinerlei Respekt vor mir und ging gelassen seines Weges, es hätte mich auch locker aufspießen können.




Den Rest der Fahrt war sehr umschwärmt, zuerst von neugierigen Fliegen, die mir sogar bis in die Ohren schauten und auf dem Campingplatz auch von Mücken. Langsam sehen meine Beine aus wie Streußelkuchen.

Heute geht meine Reise durch Schweden zu Ende. Ich bin direkt an der finnischen Grenze und inzwischen mehr als 2000 km gefahren. Der Verwalter des Campingplatzes erzählte mir, dass seine Muttersprache eine Art altfinnisch ist, die von den jungen Menschen nicht mehr gesprochen wird. Die älteren Leute der Region benutzen sie aber nach wie vor. Auch in Finnland und im russischen Karelien wird diese Sprache noch gepflegt. Wir verstanden uns auch ganz prächtig, wahrscheinlich weil unser englisch ähnlich holprig ist.
Er macht mir jedenfalls morgen Kaffee und wird wohl dafür mit meinen restlichen Kronen reich belohnt werden.
Denn es geht ins Euroland Finnland, in dem auch die Uhren anders gehen (+1 Stunde).

Am Ende der Welt

04.08.2014 8.45 - 15.45
Gällivare - Vittangi 103,7 km

Wie ich schon ahnte, geht hier in Vittangi nicht mehr so viel. Es gibt drei Hunde, zwei Spitzbuben und kein Internet.

100 km weiter südlich, in Gällivare sah das noch ganz anders aus.

In der Nacht hatte es geregnet, es war bedeckt aber warm.
Beim Bäcker konnte ich mir noch ein paar frische Brötchen und Zimtschnecken holen und dann gings auf die Piste.

Nach wenigen Kilometern warnte dieses Schild:




Mist, hab ich doch wieder die Schneeketten vergessen! Es ging auch ohne, aber die langen Steigungen hatten es in sich. Nur schieben ist schlimmer, das ist mit dem schweren Rad extrem anstrengend. Deshalb versuche ich immer, einen gleichmäßigen Rhythmus beim Treten zu finden und nicht abzusteigen, bis ich ganz oben bin. Dann ist immer noch Zeit für einen Schluck aus der Pulle und runter geht es noch mal so gut.
Die E45 war zunächst mäßig befahren, dann kam die E10 dazu und es wurde wieder deutlich voller.
Erstmals begegnete ich heute einem Radfahrer, der vermutlich nicht aus Deutschland kam. Den Aufklebern auf seinem Anhänger nach kam er aus Norwegen. Er war aber nicht gerade gesprächig. Nur ein "Hey" im Vorbeifahren, mehr war nicht.

Dann mal wieder eine Baustelle, das Schild zeigte 15 km an.
Alles halb so schlimm, die Straße war fast fertig, nur an einer Stelle gab es eine Ampel mit einem für Schweden ganz ordentlichen Rückstau. Da stellte ich mich, wie auch die Motoradfahrer, brav an. Mit dem zweiten Schub ging es dann endlich los.
Zusätzlich zum Ampelgrün gab es noch ein Führungsfahrzeug, das die Geschwindigkeit vorgab. Pech für mich, hinter mir gab es noch etliche Autos in der Kolonne, die mich nicht überholen konnten. Ich bin ungefähr zwei Kilometer am Anschlag gefahren, bergauf und bergab, dann war es überstanden. Zur Belohnung gab es viele Kilometer auf spiegelglattem Asphalt ohne Verkehr.
Dann normalisierte sich der Verkehr wieder und ich machte in Schweden erstmals Bekanntschaft mit einem schwedischen Lkw-Fahrer, der mich bei Gegenverkehr auf enger Straße überholte. Mehr als 20 cm waren da nicht zwischen uns. Da hilft nur Lenker festhalten und streng geradeaus fahren, denn die Luftverwirbelung ist ganz gewaltig.
Schade, gerade die Lkw-Fahrer waren bisher sehr vorsichtig, ich wollte sie doch in bester Erinnerung behalten.

Dann trennten sich die E10 und die E45 wieder und beinahe wäre ich nach Kiruna weiter gefahren.

Zum Glück habe ich es noch rechtzeitig bemerkt und konnte dann auf der leeren E45 weiter fahren.
So blieb mir viel Zeit, meine Umgebung zu betrachten.
Der Wald wird immer lückenhafter und die Bäume immer kleiner, aber es bleibt eine grandiose Landschaft.

Meinen ersten Elch habe ich auch gesehen, wahrscheinlich durch ein Auto ums Leben gekommen. Es waren nur noch Fragmente, aber an den Beinen konnte man ohn noch gut erkennen, die Schaufeln fehlten.

Leider war mir auch des öfteren aufgefallen, dass große Mengen Müll im Straßengraben liegen:
Getränkeflaschen und -dosen, Zigarettenschachteln, Plastiktüten, Batterien und vieles mehr.
Ich verstehe nicht, wie man so dumm und ignorant sein kann, diese Dinge einfach aus dem Auto zu schmeißen. Der Müll verrottet praktisch nicht, verschandelt diese schöne Landschaft und die darin enthaltenen Gifte landen irgendwann in unserer Nahrungskette.
Es wäre doch kein Problem, das Zeug wenigsten vernünftig zu entsorgen.
Man müsste darüber mal eine Dokumentation drehen, denn die Verursacher sehen das Ergebnis im Vorbeifahren nicht.
Das gleiche Problem haben wir natürlich auch bei uns, aber hier in Schweden erscheint es mir im Verhältnis zum Verkehrsaufkommen noch gravierender.

Letztlich bin ziemlich zeitig auf dem etwas herunter gekommenen Campingplatz angekommen. Von einem Betreiber keine Spur, nur die kleinen Beißfliegen aus Jokkmokk waren auch schon da.
Als ich unter der angegebenen Nummer anrief, antwortete mir jemand mit stark russischem Akzent, dass er um 17 Uhr kommen würde. Um 17 Uhr hatte ich mein Zelt aufgebaut, um 17.30 war ich geduscht und um 18 Uhr kam er.
Er ist Lette, war noch ganz begeistert von der Fußball-WM und gratulierte mir zum Titel. Da konnte ich zum wiederholten Mal nur sagen, dass auch ich nur vor dem Fernseher gesessen und Bier getrunken habe.

Kreditkartenzahlung ging nicht, Bargeld hatte ich kaum noch, also sagte er zu mir, er sei nur Angestellter und ich solle mal ohne Bezahlung zelten.
Und so geschah es...

Sonntag, 3. August 2014

Hochsommer im hohen Norden

03.08.2014 8.15 - 16.00
Jokkmokk-Gällivare 98,2 km

Mein Zelt stand gestern einsam am See, bis gegen 20 Uhr ein VW-Bus mit großem Campinganhänger vorfuhr und sich fünf Meter neben meinem Zelt plazierte. Das fand ich nicht so schön, obwohl sich dann herausstellte, dass es eine sehr nette Familie aus Marburg war.
Die Eltern, dazu vier Jungs im Alter zwischen neun Monaten und zehn Jahren und ein großer Hund sind auf dem Weg zu den Lofoten.
Der Grill wurde ausgepackt und los ging die Bruzzelei. Mir wurde auch was angeboten, leider hatte ich mein bescheidenes Mahl schon beendet und musste dankend ablehnen.
Immerhin wurde ich Zeuge, als das kleine Kerlchen sich zum ersten Mal freihändig hinstellte.
Für heute früh wurde mir Kaffee in Aussicht gestellt, aber das konnte auch nichts werden, weil ich zeitig los wollte. Nach einer netten Unterhaltung zogen wir uns fluchtartig in unsere Behausungen zurück, um den Schwärmen von kleinen Beißfliegen zu entgehen.

Da die Sonne mein Zelt erwärmte, wachte ich noch vor dem Weckerklingeln auf. Wieder was gelernt - das Zelt muss morgens im Schatten stehen. Die Sonne geht einfach zu früh auf.
Wie vom Wetterbericht angekündigt, war es sehr warm, mittags hatten wir hier 25ºC.
Die ersten zwanzig Kilometer ging es gemächlich bergauf, dann folgte die "Schussfahrt nach San Remo" (das ist der Titel eines französischen Kultfilms aus den Siebzigern) mit 51 km/h Spitzengeschwindigkeit zu einer Talsperre.




Es kam wie es kommen musste, die nächsten zwanzig Kilometern nach Porjus ging es ordentlich bergauf.
Am Ortseingang sah ich schon von Weitem ein gewaltiges Backsteingebäude mit einer güldenen Krone oben drauf. Es sah aus wie eine Kathedrale.




Es war aber das 1915 fertig gestellte alte Wasserkraftwerk Porjus, das bis 1975 in Betrieb war und jetzt zu besichtigen ist. Ich war der einzige Gast an diesem Vormittag und die drei Servicemitarbeiter, wahrscheinlich Studenten,langweilten sich sehr. Sie wollten mich zu einer Führung überreden, aber aus Zeitgründen begnügte ich mich mit einem Rundgang durch die Ausstellung.




Einen Leitstand mit Marmorverkleidung sieht man nicht alle Tage.

Noch sechzig Kilometer waren zu fahren, also musste ich zügig weiter.
Am Straßenrand sah Tierspuren, war das etwa ein Elch?




Eher wohl doch wieder ein Rudolph. Als Fährtenleser hätte ich die Losung sehen müssen - die war nämlich im Sami-Museum ausgestellt. Egal, eine Spur ersetzt mir nicht den Anblick eines lebenden Tiers.
Als ich gerade anhielt, um ein besonders prächtiges Rentier zu fotografieren, hörte ich Stimmen hinter mir. Halluzinationen? Nein, drei Studenten aus Berlin auf dem Weg zum ... - richtig, Nordkap!
Sie wollten bei der Annäherung schon wetten, ob ich aus Deutschland wäre. Wäre aber zu einfach gewesen.




Ruckzuck waren sie wieder weg. Etwas ironisch hatten sie mir angeboten, mich doch dran zu hängen - Arroganz der Jugend!

Auch eine Baustelle hat mich heute kalt erwischt. Ich hatte schon gehofft, die gute Fee hätte mich erhört. Es waren aber nur fünf Kilometer und einigermaßen gewalzt. Das fährt sich etwa wie Kopfsteinpflaster, nur dass man noch den fliegenden Schotter durch den Autoverkehr um die Ohren gefleddert bekommt.

Die norwegischen Familie, die auf Campingstühlen neben ihrem BMW saß, hatte andere Sorgen. Sie wartete auf den Automechaniker aus Jokkmokk, der gerade gestern einen neuen Motor eingebaut hatte. Der hatte aber auch schon den Geist aufgegeben. Sie wollten eigentlich nach Hause auf die Lofoten.

In Gällivare traf ich kurz vor dem Campingplatz den ersten schwedischen Radler. Der drehte aber bloß mal eine Runde mit dem Rennrad.
Sommer und Gällivare, das passt irgendwie nicht richtig zusammen. Allen Gebäuden und Straßen sieht man an, dass sie für harte Winter gebaut sind. Die Straßen sind sehr breit, damit der Schnee Platz hat, die Dächer haben massive doppelte Schneefanggitter und die Parkplätze sind mit schweren Dächern geschützt. Überall stehen Säulen mit Steckdosen. Ich glaube nicht, dass das mit Elektomobilität zu tun hat, E-Autos habe ich hier noch nicht gesehen. Eher denke ich, dass im Winter die Autos beheizt werden oder Starthilfe brauchen.









Und trotzdem, der Wetterbericht prognostiziert für morgen 29ºC.

Wenn das so weitergeht, stehe ich im T-Shirt am Nordkap!

Ob ich weiter regelmäßig Beiträge einstellen kann, steht in den Sternen. Die Netzabdeckung ist hier schon ziemlich lückenhaft. Und WiFi gibt es auch nicht überall. Ich werde aber weiter täglich schreiben ind dann bei passender Gelegenheit publizieren.